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von matti_in » 20.02.2015, 14:26
Ich war gestern auf einer Bürgerversammlung.
Die Verkäuferin meines zukünftigen Hauses reichte mir so einen Flyer rüber. Der lud zu einer Informationsveranstaltung über die Verkehrsplanung für den Süden Ingolstadts ein.
Gut, dachte ich mir, siehste dir mal an, wer da so deine zukünftigen Nachbarn sind und nebenbei erfährste wie sich die Verkehrsbelastung um dich herum so entwickeln wird.
Wo genau ist also diese Versammlung? Ach ja, im Vereinsheim des Schützenvereins von Spitalhof. Altaaa! Das kann was werden. Und dann lädt auch noch ein CSU Stadtrat ein.
Ich also hin gefahren. Das gehört also auch noch zu Ingolstadt … das ist schon seeeehr ländlich hier. Bächlein, Wald, Friedhof, freies Feld und genau in der Mitte dieser Landschaft das Vereinsheim.
Auto geparkt, reingelatscht und oh oooooooh! 30 Leute sind anwesend. Ich bin der jüngste! Way the youngest!!!! Der nächst ältere ist so 50, der Schnitt gibt 70 her. Ich setze mich auf einen zurechtgerückten Stuhl, so dass ich noch auf die Leinwand blicken kann, die den iPad spezifischen google maps Ersatz mit dem Pin aufm Vereinsheim zeigt. Da wird heute also viel rumgescrollt werden.
Um mich herum Gespräche über den VdK, den Kleintierzucht Verein, das neueste ausm Gartenbauverein … was die Alten halt so interessiert.
Ich werde vom CSU Vorturner interessiert angesehen. Passe wohl nicht so ganz ins Bild der Rentner.
So bestelle ich erst mal ein Radler und harre der Dinge.
Der CSU’ler fängt an zu referieren. Über die Pläne einer weiteren Donauquerung, die eventuell an der Staustufe sein könnte. Da will man die Staustufe für Busse frei gebe … irgendwie hörte ich dabei aber raus, dass die dann für Fußgänger und Radfahrer gesperrt würde, weil sonst die Busse die unmotorisierten Mitbürger erlegen würden. Hmmm … und Autos sollen auch nicht drüber dürfen. Obwohl, eine Untersuchung zeigte, dass eine richtige Brücke möglich wäre. Nur ist die Brücke halt das eine, eine Hinführung des Verkehrs zur Brücke und auf der anderen Seite eine Weiterführung muss ja auch gewährleistet sein. Im Süden befindet sich noch eine Betonfirma, mit denen ist man grad in Verhandlungen, denen das Grundstück abzukaufen, das könnte klappen. Aber im Norden! Da ist ein Naturschutzgebiet im Weg … und Tennisplätze der Großkopferten. Ich bin mir jetzt nicht ganz im Klaren darüber was schwerer wiegt und gegen eine Straße im Norden spricht. Jedenfalls wäre so eine Brücke gar nicht schlecht um Busse Richtung Audi zu schicken und den Verkehr zu entzerren. Ein Aufschrei unter den Geriatrischen!!! Wieso Busse zur Audi!!?? Zum Klinikum müssen die Busse gehen!!! Und zum Westpark (Einkaufszentrum). Aus der Sicht der bald Ableber evtl ein sinnvoller Gedanke aufm Weg zum Sterben noch schnell was einzukaufen, aber man sollte die tausende Arbeitnehmer die täglich öffentlich zu Audi fahren doch nicht vergessen. Oder sind sie der Meinung, dass sich dieses ominöse Audi wohl nie durchsetzen wird? Diese Autos sind doch Neuland. Ob das wirklich soooo kommt? Kaum glaubhaft.
Apropos Betonfirma!! Da fahren ja immer diese Lastwägen durch Spitalhof! Unerträglich! Ich fragte heute mal eine Kollegin von mir, die seit 6 Jahren in Spitalhof wohnt … sie hatte keine Ahnung wovon ich rede. Sie hat noch nie mitbekommen, dass es ein LKW Problem in dem Ortsteil gibt.
Jedenfalls fragte eine besorgte Bürgerin an, ob man nicht die Hans-Denk-Straße aus den Navis von LKWs herauslöschen könne, damit die nicht immer durch Spitalhof fahren … äääh ja. Da ist der Stadtrat von Ingolstadt sicher der richtige Ansprechpartner. Langsam wünschte ich mir Gerhard Polt im Publikum. Er könnte eine saubere Milieu Studie abhalten und hätte sein nächstes Bühnenprogramm gleich zur Hälfte fertig. Überhaupt … war ich nicht doch vielleicht im politischen Kabarett gelandet?
Es ging weiter mit dem Thema Ringbuslinie: Der Bürger will das! Oder zumindest die 30 Rentner aus Spitalhof. Die derzeitige zentralisierte Struktur is eh Käse. Eigentlich müsste so ein Bus doch genau da hinfahren, wo man hin will. Also von seinem Vorkaff im Südwesten ohne Umwege übers Zentrum direkt nach Nordwesten oder Südosten. Das würde den ÖPNV revolutionieren! Klaaaa!
Älterer Herr steht ächzend auf und tut laut kund, dass dieser Stuhl so unbequem sei. Stuhlbeine über den Fußboden schleifend tauscht er ihn durch den Stuhl daneben aus. Ja, der Holzstuhl identischer Bauart sieht auch gleich viel bequemer aus. Da setzt er sich drauf und scheint befriedigt.
Die große vierte Donaubrücke wollen alle Anwesenden hier. So 3 km westlich von Spitalhof wäre super. Aber ja nicht mit einem Zubringer durch Spitalhof. Das gäbe nur wieder Lärm. Irgendwelche Wald- und Feldbesitzer könne man doch sicher enteignen, damit das klappt. Einwurf des CSUlers, dass diese Brücke voll durchs UNESCO Naturerbe, den Donau Auen, dem größten zusammenhängenden Auwaldgebietes Europas ginge wurde entgegnet, man könne ja nen Tunnel durch das Gebiet bauen. Diese läppischen 2 oder 3 km Tunnel. Eine Gesellschaft die die Alpen mit nem Tunnel unterqueren kann, kann das doch auch. Muss doch drin sein. Schließlich zahlt Audi genug Steuern. Aha! Na dann! Aber wirklich so 3 km weg!! Weil wir sind ja alle NIMBYs.
Dann diskutiert man ne Zeit über „Wie verlief eigentlich vor 30 Jahren die Bahntrasse von Ingolstadt nach Neuburg? Und warum hat man diese Bahntrasse nach dem Abriss der selbigen nicht gleich genutzt und eine große Straße drauf gebaut? Hätte vieles um Spitalhof herum geleitet, man selber wäre aber schnell ans andere Ende von Ingolstadt gekommen. Sinnlose Diskussion, denn kann man die Zeit denn zurückdrehen?
Ich sehe grad wieder den Stuhltauscher von vorhin an. Fehler! Er hat nämlich grad verzweifelt in der Masse nach jemandem gesucht der ihm Aufmerksamkeit schenkt. So erhebt er seine Bierflasche, setzt sie an, nimmt laut schlürfend einen großen Schluck und tut dann für alle laut kund „Mei! Schmeckt des Bier guat!“ Äääähm, soll ich zustimmen? Ich entscheide mich fürs ignorieren. Wie der Rest der Anwesenden auch.
Der Sprung geht zurück zum Thema Busverkehr. Es wurde eine Bushaltestelle in Unterbrunnenreuth verlegt. Jetzt ist der Weg für ein anwesendes Rentner Pärchen weiter zur Haltestelle. Bisher wohnten sie direkt an der Haltestelle, jetzt müssen sie 500 Meter weit gehen. Ein weitschichtiger Nachbar des Pärchens mischt sich ein. Selber mindestens 70 und irgendwie nicht ganz so freundschaftlich mit dem Pärchen verbandelt. „Ich kann keine großen Schritte mehr machen, bin alles andere als gut zu Fuß, aber selbst ich brauche zu Fuß nur 6 Minuten zur neuen Haltestelle.“ Der angesprochene erwidert: „Junger Mann! Es ist schön, dass sie das können, ich kann das nicht.“ Bei dem Ausdruck „Junger Mann“ wäre ich fast gestorben. Zu geil! Da hätte ich gerne Popcorn dabei gehabt. Hätte ich in den 20 Minuten die es um diese Haltestelle ging auch auffuttern können. Es gab noch so schöne Highlights wie „man könne doch auch den Anwohner da enteignen, damit da auf seinem Grundstück eine für Rentner und Schüler sichere Bushaltestelle gebaut werden kann!“ Der CSUler tat mir leid. Er hat nen schweren Stand. Und nen scheiß Job.
Ich weiß nicht wie sie jetzt drauf kommt, aber wenn man schon grad ein Plenum hat, muss wohl alles raus. Eine Dame im Nerzmantel und als einzige nicht bayrisch, sondern hmmm ich würde mal Ruhrpott sagen, fühlt sich gemüßigt kundzutun, dass sie nun das erste Mal seit Jaaaahren wieder am Rathausplatz war und was sind denn das für schreckliche Sitzmöbel die man da aufgestellt hat. Da kann sie nicht drauf sitzen. Da käme sie ja nicht mehr hoch, so schlimm seien die. Der CSUler teilt ihr mit, dass die ja extra für die Jugend angeschafft wurden und von denen auch sehr rege angenommen werden. Fehler!! Die Dame brüllt „Immer für die Jugend! Und wo sollen denn die Alten hin? Für uns macht man gar nichts! Das ist doch eine Frechheit!“ Die Erwiderung des CSU Fürsten, die anderen bisherigen Sitzgelegenheiten (Bänke) die schon immer da waren, sind ja auch weiterhin vorhanden, die könne sie doch weiter nutzen, geht in ihrem Gezeter unter.
Der alte Herr neben mir ist eingeschlafen … und schnarcht.
Bahnhof in Zuchering. Unmotiviert kommt der Vorschlag aus dem Plenum, es müsse ein Bahnhof in Zuchering geschaffen werden. Ich fragte mich, wo denn da überhaupt eine Bahnlinie sei, die man zu Fuß in weniger als 6 Minuten erreichen kann. Egal! Jedenfalls, wenn Audi einen eigenen Bahnhof bekommen soll, dann braucht Zuchering auch einen. Äääh ja, erschlagende Logik.
Asyl! Keine Ahnung wie es zu dem Thema kommt. O-Ton der Nerzdame: „Es wird immer schlimmer! Irgendwann muss doch mal eine Ruhe sein!“
Gut, die armen Syrer dürften schon bleiben, aber „die Schwarzen!“ müssen weg. In Afrika wird ja niemand verfolgt, meinte sie. Der CSUler tat mir nun echt leid. Der hirnbefreiten Dame zu erklären, was in Eritrea und anderen Afrikanischen Staaten abgeht war nicht leicht. Ich glaube er drang zu ihr auch nicht durch. Mir stellte sich zudem die Frage ob es jeden Abend marodierende Negerhorden in Spitalhof gibt, die extra jeden Abend aus dem etwa 4 km entfernten Notauffanglager ausbrechen nur um sie zu ärgern und zu bedrohen, oder wie kommt sie nur drauf? Allerdings gab es leider auch zustimmendes Grunzen einiger anderer Rentner, was ich nicht als schnarchen erkannte.
Beim Gehen von der Veranstaltung war ich kurz davor dem CSUler zu kondolieren. Er hat keinen schönen Job. Er verdient sich seine Wählerstimmen echt schwer und hatte oft einen gequälten Gesichtsausdruck ob der Engstirnigkeit so manches Besuchers der Veranstaltung.
Meine Kollegin versicherte mir heute es gäbe Hunderte normale Mitbürger in dem Vorort. Ich müsse mir keine Sorgen machen.
Klopapier ohne Blümchen ist wie ein Bett ohne Kuschelkissen